Wechseljahre der deutschen Parteien

Der politische interessierte Netzbürger schrammt dieser Tag immer wieder an einer Aussage vorbei: Das ist sozialdemokratisch! Initiiert wurde dieses durchaus ergebnisorientierte Projekt von Mathias Richel und Dennis Morhardt.

Das Schöne an dieser Aufforderung zur Mitgestaltung ist: Es geht grundsätzlich nicht um das politische Tagesgeschäft sondern vielmehr um die politische Identität der alten Dame Sozialdemokratie. Diese Identität wird nun – 20 Jahre nachdem die Welt sich verändert hat – auch in der Parteienlandschaft laut und vernehmbar hinterfragt.

Daniel Richel hat – durchaus pointiert – sehr knapp die Probleme der 5 im Bundestag vertretenen Parteien zusammengetragen. Die Wertung der schwarz-gelben Regierung in diesen Statements kommentiere ich mal nicht, denn das wäre wieder politisches Tagesgeschäft. Aber anschließend fragt er in abgewandelter Form und aufbauend auf der sozialdemokratischen Initiative:

Was ist heute christdemokratisch?
Was ist heute liberal?
Was ist heute grün?
Was ist heute links?

Für Politologen ist hier sicherlich sehr spannend, dass „links“ in dieser Reihe nicht mehr so ganz mit „sozialdemokratisch“ zusammen geht, weil der Begriff von der Partei DIE LINKE offensichtlich erfolgreich erobert wurde.

Daniel nennt diesen Prozess „Wechseljahre“, weil alte Strukturen, Werte, Inhalte nicht mehr in die heutige, schnelllebige und vernetzte Welt passen. Eine durchaus interessante Idee. Doch am Ende läuft es meiner Meinung nach ganz simpel auf eine Frage hinaus:

Was bestimmt heute die Identität der deutschen Parteien?

Und diese Frage steht vor dem Hintergrund, dass in den letzten Monaten so viele heilige Kühe der deutschen Politik umgeschubst wurden, wie seit 1990 nicht mehr. Die Wehrpflicht ist ausgesetzt, der Atomausstieg auf dem Weg und große und kleine Kommunen stampfen immer lauter für eine grundsätzliche Reformierung des deutschen Föderalismus.

Keiner sagt es laut. Aber das ist die Leistung von schwarz-gelb. Viele Regierungen haben vorher jahrelang darüber debattiert. Jetzt werden Tatsachen geschaffen. Und das verändert die Republik und damit die Parteienlandschaft.

Ich freue mich auf viele Diskussionen zur neuen Identität aller Parteien, denen gerade irgendwie ihre Themen abhandengekommen sind und die sich zum Teil in einer regelrechten Sinnkrise befinden. Denn ich denke, unser Land und seine Parteien können davon nur profitieren.

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