Nein, das wird kein linguistischer Ausflug in die syntaktischen Stellungsvarianten der Verbalgruppe im Deutschen. Dass Bruno Labbadia in seinem Zorn mal fix das Hilfsverb und – oh Gott, oh Gott – das Subjekt weggelassen hat, ist auch nicht Gegenstand dieser Gedanken. Das kann man Kurt Beck immerhin zu Gute halten: Er hatte im ganzen Satz gemeckert.
Ich erhebe jetzt mal wieder den Zeigefinger für die Diskussions- und Kritikkultur.
Alle paar Wochen schrecken wir kollektiv hoch, weil der eine oder andere öffentliche Mensch über die verbalen Stränge geschlagen hat. Dieses Internet bringt uns dann auch noch in die komfortable Situation, jeden dieser Fehltritte sofort und crossmedial an die virtuelle Pinnwand des Unverschämten zu nageln. WIE KANN ER NUR?!
Was wir dabei aber zu leicht vergessen, ist dass diese vermeintlich derbe Wortwahl im Grunde der Spiegel unseres Umgangs mit einander ist. Twitter, YouTube, Blogs oder die Kommentare auf Facebook-Seiten von Politikern und Unternehmen bilden den real-existierenden Ton ab, den wir untereinander pflegen. Da ich lange nicht mehr auf einem Schulhof war, weiß ich nicht, ob es dort noch drastischer zugeht. Aber ich glaube, Beck und Labbadia würden dort ausgelacht.
Es wird gepöbelt und beleidigt, angegriffen und verbal verletzt. Der „Shitstorm“ ist aus dem Vokabular öffentlicher Kommunikation kaum mehr wegzudenken. Regeln und Netiquetten greifen nur partiell und sind von der Durchsetzungskraft der Plattformbetreiber abhängig. Zu oft stellt sich die Frage: Lieb und nett oder vielleicht doch eher Traffic?
Ein gesellschaftlicher Grundkonsens zum anständigen Umgang miteinander scheint nicht mehr auffindbar. Und selbst wenn vordergründig alles nett und schön ist: Es gibt ja noch Zweit-Accounts. Da kann man dann vortrefflich die Sau rauslassen.
Die öffentlichen Ausbrüche von Bruno Labbadia und Kurt Beck, aber auch von vielen anderen, sind in diesem Zusammenhang keine Überraschung. Sie sind ein Gradmesser. Stellt Euch nur mal vor, was diese Leute den ganzen Tag ertragen müssen. Der ungeliebte Bundesligatrainer oder der nicht mehr ganz so geliebte Politiker erlebt regelmäßige Shitstorms. Aber er kann nicht den Rechner ausmachen. Es ist live.
Ich finde das beklemmend.
Natürlich werden die schlimmsten Pöbler diesen Text wahrscheinlich nie lesen. Und wenn sie es täten, wäre es wohl vorbei mit der Ruhe auf meinem beschaulichen Blog. Aber wir sollten die Hände nicht in den Schoß legen.
Seien wir doch einfach alle ein bisschen netter zu einander.