„Lieber einmal mehr als mehrmals weniger“ ist der Titel des neuen Brandenburg-Buches von Dieter Moor. Nach „Was wir nicht haben brauchen Sie nicht“ ist das der zweite Wurf des Neu-Brandenburgers mit schweizerischem Migrationshintergrund. Und es ist wieder sehr gelungen!
Nachdem das Buch nun schon einige Wochen auf dem Markt ist und ich es kurz nach Erscheinen gekauft und verschlungen habe, ist der hauptberufliche Moderator nun auf Lesereise und bringt sein Werk an den Mann und die Frau. Ja, auch in Brandenburg.
Grob geschätzt 200 Menschen lockte er zum Beispiel in das Kleist-Forum in Frankfurt (Oder), las, gestikulierte, hampelte über die Bühne, verstellte seine Stimme, um den Charakteren der Geschichte Leben einzuhauchen und sorgte damit für zweieinhalb Stunden gute Unterhaltung. Nicht unbedingt das, was man in der Ostbrandenburger Provinz am Montagabend erwartet. Und gerade deshalb: Umso schöner!
Die Geschichten des Buches jetzt hier nachzuerzählen, wäre vertane Zeit. Dieses Vergnügen muss man schon selbst erfahren. Aber generell schafft es Moor, auch mit dem zweiten Band der „Geschichten aus der arschlochfreien Zone“, dem Brandenbürger aufs Maul zu schauen, die Schönheiten des Landlebens in bunte Sprachbilder zu kleiden und damit Neulinge zu interessieren aber auch mehr oder minder Alteingesessene mit ihrer Heimat zu versöhnen.
Ich gehöre zu Letzteren. Aufgewachsen in der Berlin-nahen Provinz, kannte ich meine Heimat eigentlich gut. Doch zu schwärmerischen Oden hätte ich mich noch vor 10 Jahren wohl nicht hinreißen lassen. Brandenburg war für mich neben einigen Ausnahmen trist und grau. Die Menschen erschienen mir kalt und abweisend. Keines der dutzenden Dörfer, durch die ich in meiner Jugend mit dem Rennrad gefahren bin, um meine Kondition zu verbessern, hätte ich anschließend aus touristischen Motiven erneut angesteuert.
Heute ist das anders. Ich genieße meine Wege durch Brandenburger Lande, biege bei langen Autofahrten gern mal links und rechts vom Weg ab und erkunde Dörfer, Wälder und Seen. Ich halte auf verlassenen Alleen und genieße die Weite und die Einsamkeit, die mich früher abschreckte.
Dieter Moor fasst diese Begeisterung in Worte. Sei es der Moment, in dem er das Auto ausrollen lässt und alle Fenster öffnet, damit „Wiesenduft seine Blechzelle flutet“ oder er den Morgen als Ouvertüre einer „lautlosen Oper aus Licht und Farben“ beschreibt, während er mit Milchkaffee in der Hand und in einen Sessel geschmiegt durch das Fenster blickt. Das sind die Momente, die jeder kennt, der nach Brandenburg kommt, um dieses Land zu genießen. Es sind die Momente, in denen man verweilt und nur noch guckt. Wunderbar!
Ähnlich unterhaltsam und begeisternd kommt seine Sendung „Bauer sucht Kultur“ daher, die leider ein Mauerblümchen-Dasein im Wiederholungskarussell des rbb fristet. Nicht einmal eine DVD-Box ist dem Sender dieses Format wert. Schade…
Vielleicht ist Moor damit ein Autor dieser neuen Landromantik, die kürzlich beschrieben und – natürlich – auch ein ganzes Stück verrissen wurde. Stadtmüde Menschen, die auf dem nahe gelegenen und schnell erreichbaren Land einem kitschigen Ideal nachhängen und nach einem Dreiklang aus Sonnenaufgang, Biofleisch und Pferdehof den Tagesausflug auf der Autobahn zurück in die Metropole beschließen. Doch das trifft in Brandenburg einfach nicht zu.
Kitsch ist – wenn überhaupt – nur sehr versteckt zu finden und auch nicht unbedingt als solcher auszumachen. Wenn man „Emma Emmelie“ nicht kennt, findet man es auch nicht. Und auch das nun schon in zwei Büchern gepriesene und in den lustvollsten Worten beschriebene dörfliche Idyll der Familie Moor ist beim Durchfahren mit dem Auto ein Dorf wie viele andere rund um Berlin.
Die Brandenburger Schönheit erschließt sich nicht mit der Brechstange. Es braucht eine gewisse Grundruhe, um sich zwischen Oder und Elbe entspannen zu können. Vordergründige Beschauligkeit, die sich dem Touristen auf den ersten Blick eröffnet, findet man nur in touristisch erschlossenen Gebieten. Innere und äußere Ruhe will gefunden werden.
Die märkische Heide dankt es dem Reisenden, wenn er sich Zeit nimmt. Einfach mal von der Landstraße abbiegen und zwei- dreimal genau in die Pfade einbiegen, die nicht unbedingt auf den ersten Moment sehr einladend erscheinen. Wenn das Pflaster rauer wird, empfiehlt sich eine gewisse Obacht, damit das Automobil nicht leidet. Das Ergebnis lohnt fast immer.
Dieter Moor macht auch mit seinem zweiten Buch Appetit auf Brandenburg, genießen muss es aber jeder für sich. Also los! Auf zur Landpartie! Wir treffen uns an der Pfuhle.