Kategorie(n): Medien, Nachrichten, Politik
Da ist er. Der Blick hinter die Nachrichten. Das Schlüsselloch in den Maschinenraum des Flaggschiffs des deutschen Nachrichten-Journalismus. Der Blog, den der Chef zum Großteil noch selbst schreibt und der genau deshalb einen ganz eigenen Reiz entfaltet: Der Tagesschau-Blog.
Dr. Kai Gniffke, seines Zeichens Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, schreibt, was rund um die allseits bekannten TV- und Web-Formate von „Tagesschau“ über „Tagesthemen“ bis hin zur „Tagsschau in 100 Sekunden“ noch von Interesse sein könnte. Nun mag man einwenden: Wie jetzt? Noch mehr Infos aus dem Laden, der sowieso den ganzen Tag aus allen medialen Rohren mit Neuigkeiten und Informationen um sich schießt? Echt?
Antwort: Ja!
Denn selbst der News-Junkie, der es fertig bringt, den ganzen Tag auf tagesschau24 zu starren, blickt nicht hinter die blaue Wand. Das schafft der Blog. Hier erfahre ich, dass Marc Bator die Tagesschau verlässt, um bei Sat1 den Stuhl von Peter Limbourg einzunehmen und ich erahne aus einem liebevollen Nachruf, wie schwer es für einen Vollblut-Journalisten ist, wenn sich eine Nachrichtenagentur wie die dapd aus dem Nachrichtenstrom verabschiedet:
Es hat mich schon wehmütig gemacht, als heute gegen 17 Uhr nacheinander alle Ressorts und Landesdienste der Nachrichtenagentur dapd ihre letzten Meldungen herausgaben. Mit “Goobye, Adieu” sagten die verschiedenen Kollegen heute “Tschüss” jeweils in Form einer ganz normalen Meldung, wie wir sie täglich zu tausenden bekommen. Und nun ist Schluss.
Die Texte sind nicht im perfekten Tagesschau-Deutsch geschrieben. Hin und wieder schleicht sich ein Fehler ein, wird der Absatz zu lang oder geht der Faden etwas verloren. Doch das ist überhaupt nicht dramatisch. Viel mehr gewinnt der Blog dadurch an Glaubwürdigkeit. Handgemacht eben.
Streng genommen ist der Tagesschau-Blog auch ein Unternehmensblog. Denn hier geht es nicht um die Kernaufgabe des „Unternehmens“ Tagesschau, sondern um den Weg dorthin. Was ist in einem Newsroom eigentlich los, wenn plötzlich der Papst zurücktritt? Bitte schön:
Nach Tagen mit weltbewegenden Themen wie Brüderle, Peerblog, Schavan und Gysi hatten wir uns heute auf einen Tag eingestellt, der von rheinischem Frohsinn geprägt sein würde. Bis zu dem Moment, in dem plötzlich Eilmeldungen mit oberster Priorität in unser Agentursystem einliefen.
Um 11.48 meldet Reuters die Rücktrittserklärung des Papstes und bezieht sich wiederum auf die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Kurz darauf ziehen deutsche Agenturen nach. Tusch, ein dreifach donnerndes Helau! (…)
Erstversorgung: Die Zuschauer im Ersten und bei tagesschau24 erfahren kurz vor 12.00 per Laufband von der Eilmeldung. Um 12 Uhr ist der Papst Aufmachermeldung in der Tagesschau. Bis die Leitung ins Studio Rom dann steht, dauert es Minuten. Das nervt, aber dann gibt die Vatikan-Korrespondentin die erste Einschätzung. In der Zwischenzeit haben wir einen Film über das Pontifikat Benedikts organisiert. Zugegeben, das Ding hätte man auch im Falle des Ablebens des Papstes senden können, aber so ist es besser.
Ja. Das ist Stress. Aber wenn ich das lese, ahne ich, dass es auch sehr viel Spaß machen kann.
Zur Beruhigung des geneigten Lesers empfehle ich die Videoblogs der Tagesschau-Korrespondenten aus allen Ländern der Welt. Seien es die „Warschauer Notizen“ mit Ulrich Adrian, der #USA-Blog mit Marion Schmickler, die uns ihr Lieblings-Café in Georgetown zeigt, oder auch das unterirdische Wien mit Thomas Morawski. Da erfahre ich nicht nur, dass die Adeligen ihre Pferde früher in den Keller stellten, man lernt ganz nebenbei auch noch, dass sich die alpenländischen Grünen konspirativ im Wiener Untergrund getroffen haben.
Einzige (kleine) Kritik: Es ist etwas wenig los auf dem Blog…
Im Schnitt ein Blog-Text-Beitrag pro Woche ist leider etwas dünn für ein „Produkt“ aus dem Hause „Tagesschau“. Vielleicht böte es sich an, die Videoblogs etwas präsenter und vor allem regelmäßiger zu platzieren. Da braucht es meiner Meinung nach keine Mini-Mediathek im Header des Blogs. Lasst die Videos doch einfach in die Beiträge unten mit einlaufen.
Mein Fazit: Ein durchaus gelungener Blog aus dem öffentlich-rechtlichen Medienkosmos mit durchaus noch Potential nach oben. Also Weitermachen!
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Rund 200.000 Menschen waren in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert. Wer einmal in die Mühlen der Staatssicherheit geriet, kam nur schwer wieder heraus. „Ostknast – Alltag in DDR-Gefängnissen“ – das Thema auf tagesschau24 am Samstag, den 04.05.2013, ab 20:15 Uhr.