Es gab die eine oder andere Formulierung in der Berichterstattung zur re:publica, die mich ziemlich aufgeregt hat. Eine der ganz besonderen ist diese hier: „Auf der Internetkonferenz Re:publica in Berlin diskutieren seit Montag 5000 Internetbegeisterte…“ An anderer Stelle ist von „versammelten Bloggern, Internetaktivisten und netzinteressierten“ Leuten die Rede. Oh man!
Klar. Die re:publica ist kein Kaffeekränzchen bei Oma auf der Couch und auch kein Schützenfest in Niederbayern. Um in der STATION inhaltlich mitzukommen, muss man wahrscheinlich ein Grundverständnis beziehungsweise eine gewisse Begeisterung für die Themen mitbringen. Aber hey. Das gilt in allen anderen Bereichen des Lebens auch. Gerade wenn man zu einer Konferenz geht.
Wenn man sich die Teilnehmer der diesjährigen re:publica so anschaute, mit offenen Augen durch die STATION gelaufen ist und auch tatsächlich dem einen oder der anderen zugehört hat, kann man sich eigentlich nicht mehr erklären, wie diese medialen Zuschreibungen zustande kommen.
Natürlich gibt es die Nerds, die über die Ethik von Algorithmen debattieren. Aber es gibt eben auch eine Gruppe, die viel größer ist und - steile These – mittlerweile die Mehrheit bei der re:publica bildet. Das sind die Nutzer. Die Nutzer dieses Internets und dieser vernetzten digitalen Welt.
Wir – ja ich zähle mich dazu – sind nicht in Programmiersprachen und mit Hardware zugestellten Kellerräumen sozialisiert. Die meisten von uns kamen und kommen immer noch aus anderen Richtungen. Wir sind Mode-Interessierte, Landschaftsarchitekten, Auto- oder Natur-Freaks, politisch Aktive und ganz normale verrückte, die ihre Leidenschaft nicht nur im Herzen sondern auf der Zunge tragen.
Kurz: Wir sind der Querschnitt der Gesellschaft. Quasi die Volkspartei des Internets. Nur ohne Grundsatzprogramm, Geschäftsordnung oder Delegiertenprinzip. Aber dafür mit Parteitag: Die re:publica.
Und ja, wir sind auf dem Weg. Ludwig schreibt von einer „Halbzeitpause“ und trifft die Stimmung ziemlich gut:
„Die re:publica 2013 hatte den Charakter einer Halbzeitpause. Man traf sich zu Gesprächen, man blickte ein bisschen auf die erste Hälfte zurück – auf das, was bisher geschehen ist. Und nun hofft man auf die nächste Hälfte, zu der dann bekanntermaßen auch die entscheidenden Schlussminuten gehören: Die Minuten, auf die es dann wirklich ankommt, die spielentscheidend sind. Die Zeit, bevor man weiß, ob man am Ende gewonnen oder verloren hat.“
In den Kontext der politischen Realität gestellt, bedeutet das für mich, dass wir in den letzten Jahren dieses Internet aus den nerdigen Hinterzimmern der Pseudo-Avantgarde herausgezerrt haben, ihm in der Internet-Enquete des Deutschen Bundestages ein erstes politisches Gesicht verpassen konnten und nun mit offenen Schuhen und der verdienten Wasserflasche zur Pause darauf gespannt sind, was kommt, wenn wir wieder auf den Platz rennen.
Dieser Platz heißt „Bundestagswahl“. Denn nach dem 22. September entscheidet sich (politisch), was wir aus den „re:publicen“ der letzten 4 Jahre mit in die neue Legislaturperiode bringen können. Der Weg ist bereitet. Beauftragte für die digitale Welt werden nahezu in allen Parteien gefordert bzw. angekündigt, der selbstständige Bundestagsausschuss zum Thema ist so gut wie gesetzt und selbst die CDU hat mittlerweile einen Arbeitskreis Netzpolitik, der innerhalb der Union nicht mehr zu übersehen und überhören ist.
Sascha Lobo hat uns mal wieder mitgegeben, dass wir gefälligst „machen“ sollen. Was auch immer. Vielleicht sogar Netzpolitik. Und vielleicht sogar im Bewusstsein, dass es mehr um „Politik“ als „Netz“ geht. Aber das wundert uns ja nicht. Denn uns ist die Politik geläufiger als mit Hardware zugestellten Kellerräume.
Also: Anpacken!
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