Mehr als zwei Wochen liegt die Bundestagswahl nun zurück, die uns mit einem Ergebnis der ganz besonderen Art zurückgelassen hat. Der Union ist mit 41,5% ein historisches Ergebnis gelungen, sie hat aber durch die Niederlage der FDP keinen geboren Koalitionspartner mehr. Das kann man beklagen, umgehen muss man damit aber trotzdem.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums will nämlich auch keine Partystimmung aufkommen. Zwar hat das „linke Lager“ aus SPD, Grünen und LINKE eine knappe Mehrheit im Parlament, der Wille zu Zusammenarbeit ist aber real nicht existent. Schließlich ist die LINKE zumindest in Teilen ein Schmelztiegel ehemaliger Sozialdemokraten, die sich als Fundamentalopposition verstehen und nur deshalb der SPD einst den Rücken zudrehten.
Und auch die Grünen beginnen zu verstehen, dass ihre Festlegung auf ein rot-grünes Bündnis zwar im Wahlkampf wohlige Lager-Wärme versprach, von der realistischen Option einer Regierungsbeteiligung aber auch 10 Jahre nach der Agenda 2010 eher wegführt. Die Sozialdemokraten bekommen im Bund keinen Fuß auf den Boden und wer sich an sie kettet, bleibt in der Opposition. Mit oder ohne die SPD.
In dieser Gemengelage kam es nun heute zu den ersten ernsthaften Sondierungen zwischen der Union und den Grünen. Dass diese Sondierung gute drei Stunden gedauert hat und in einer „sachlichen, offenen und sehr an Inhalten orientierten“ (Hermann Gröhe) Atmosphäre stattfanden, zeigt, dass wir heute an der Schwelle zu einem neuen Kapitel der bundesdeutschen Geschichte stehen.
Eine schwarz-grüne Koalition ist möglich.
Aber die Tür wird nicht lange offen stehen! Und der Spalt, der nun in der Tür ist, wird auch nicht zwangsweise in den nächsten Jahren größer. Jetzt kann die Tür aufgehen! Und das hat mit dem Wahlergebnis vom 22. September 2013 zu tun. Denn nach dieser Wahl stehen im Grunde beide „Lager“ als Verlierer da. Selbst wenn eine Partei haushoch gewonnen hat.
Heute zu sagen, CDU/CSU und die Grünen stünden erst am Anfang einer Entwicklung und bräuchten noch etwas Zeit bzw. einen längeren Prozess, um sich anzunähern, wäre eine fatale Fehleinschätzung. Denn selbst wenn das Bauchgefühl solches zu vermitteln scheint, würde damit eine große Chance verstreichen. Heute haben wir die Chance, die Lager zu verlassen und neue Konstellationen zu finden.
Warum ist schnell erklärt.
Wenn in den kommenden Monaten eine Große Koalition zustande kommt oder es sogar im schlechtesten aller Fälle zu Neuwahlen käme, würde ein Lager sehr wahrscheinlich gestärkt aus diesen Konstellationen hervorgehen: Das Bürgerliche. Denn schon jetzt zeigen Umfragen, dass in der aktuellen Situation die Zustimmung zur Union wächst.
Rot-Grün ist auf lange Sicht nicht realistisch und auch ein gezielter Rot-Rot-Grüner-Wahlkampf würde in der aktuellen Stimmungslage eher das bürgerliche Lager stärken. Deshalb haben wir jetzt auf den Punkt gebracht die Wahl: Entweder wir bekommen eine Große Koalition, die sich an vielen Stellen belauert und auf eine immer drohende Neuwahl schielt oder wir brechen das starre Lagerdenken der vergangenen 30 Jahre auf und biegen mit Schwarz-Grün auf einen neuen Weg des deutschen Parlamentarismus ein.
Union und Grüne könnten zeigen, dass Ökonomie und Ökologie auch in Zukunft eher bedingen als sich ausschließen. Diese Koalition kann die Energiewende im großen Konsens mit allen Beteiligten weiterführen und sie könnte auch bei Themen wie Soziales oder in der Familie einen Weg finden, der den selbstständigen Menschen in den Blick nimmt und schaut, wo Unterstützung notwendig ist.
Ich sage: Riskieren wir es!
Mit allen Chancen, Risiken und Konflikten, die dieser Schritt mit sich bringen würde.
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Das sehe ich genauso. [Und mein Grünen-Bild ist nachhaltig von Jutta Ditfurth geprägt worden! – Das sind milieukulturelle Differenzen!]
Kein Projekt, keine Liebesheirat, sondern sachorientierte Partnerschaft zur Bearbeitung aktueller Probleme. Machen!