Es ist ein knappes Jahr her, dass ich mir unter dem Titel „Netzpolitik geht uns alle an!“ einige grundsätzliche Gedanken über das Thema „Internet“ gemacht habe. Mir ging es dabei um die Gewohnheiten jedes Einzelnen und darauf aufbauend um einige Fragen, die sich aus meiner Sicht an eine zukunftsorientierte Netzpolitik stellen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit habe ich mir im letzten Jahr nicht angemaßt und werde es auch heute nicht tun. Auch das ist Netzpolitik.
Jetzt – im Herbst des Jahres 2013 – laufen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD und die Netzpolitik steht neben vielen anderen Themen auch auf der Agenda. Nicht am „Katzentisch“, wie Nico Lumma meint, sondern exponiert in einer Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ (Hashtag #UADA) der AG Kultur. Nur zum Vergleich: Das Thema „Europa“ wird auch in einer Unterarbeitsgruppe behandelt. Aber kein Mensch käme auf die Idee, dem Thema damit seine Bedeutung abzusprechen.
In der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ geht es um einen bunten Strauß netzpolitischer Fragen. Von der Netzneutralität über den Datenschutz im Netz weiter zur IT-Sicherheit und bis zur digitalen Standortpolitik steht viel auf der To-Do Liste der Netzpolitiker von Union und SPD. Es geht darüber hinaus um Medienkompetenz, Open Data und sehr wahrscheinlich auch um den Dauerbrenner Urheberrecht.
Es geht uns wirklich alle an!
Das sind viele Themen und daraus entwickeln sich noch mehr Fragen. Ich finde es gut, dass sich Union und SPD der Aufgabe stellen und diesen bunten Strauß an Themen in Angriff nehmen. Denn wie schon gesagt, Netzpolitik geht uns alle an. Den jungen Familienvater, der Fotos seiner Kinder ins Netz stellt, betrifft es genauso wie die Unternehmerin, die Ihr Know-how schützen will. Aber auch der Schüler, der sein erstes Smartphone in Händen hält, und auch die mit den Enkeln chattende Oma kommen um die Netzpolitik kaum noch herum.
Deshalb ist die vorangestellte Frage, wohin dieses Internet mit uns hin will, durchaus provokativ und soll jeden einzelnen aktivieren. Denn wenn wir, die Bürgerinnen und Bürger sowie die von uns gewählten Politiker nicht an den geeigneten Stellen das Heft des Handelns in die Hand nehmen, werden wir auch weiterhin mehr Passagier sein, als dass wir zum Akteur des digitalen Wandels aufsteigen.
Netzpolitik gehört in den Alltag.
Wir müssen nicht alle Netzpolitiker in Koalitionsverhandlungen sein, um uns aktiv zu beteiligen. Wir können als Elternvertreter dafür sorgen, dass die Schulen unserer Kinder nicht dem technischen Niveau unserer privaten Infrastruktur von vor 10 Jahren entsprechen. Wir können unsere guten und schlechten Erfahrungen mit dem Internet in unserem privaten und beruflichen Umfeld diskutieren und damit dafür sorgen, dass Chancen und Risiken erkannt werden. Wir können aber auch mit unserer Wählerstimme immer wieder ein Zeichen dafür setzen, dass netzpolitische Themen weiter an Bedeutung gewinnen.
Und das nicht nur bei Bundestagswahlen!
Gehen sie vor der Europawahl doch mal zu ihren Kandidaten und fragen nach den europäischen Datenschutzrichtlinien! Stehen Sie bei einer Wahlveranstaltung zur nahenden Kommunalwahl auf und fragen die Kandidaten, wann und wie in Schulen und Kitas endlich eine Medienkompetenz vermittelt wird, die dem Jahr 2013 entspricht und sich nicht auf Textverarbeitung und Grundkenntnisse im Programmieren reduziert!
Das Internet ist in unserem Alltag angekommen. Aktiv gestaltet werden die damit zusammenhängenden Prozesse und Strukturen noch viel zu wenig. Packen wir es an!
Was kommt nach der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“
Ich erwarte von der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“, dass sie den Weg bereitet, um die oben angesprochenen Themen in Angriff zu nehmen. Natürlich wird es keine Checkliste geben, die innerhalb der kommenden 4 Jahre einfach abgearbeitet werden muss, damit alles gut wird. Dazu gibt es viel zu oft unterschiedliche Auffassungen, was der beste Weg zum Ziel. Als Stichwort sei hier das Thema „Breitbandausbau“ erwähnt.
Aber wir müssen in den nächsten Wochen zu einer Agenda kommen, an der entlang die Netzpolitik in den kommenden Jahren gestaltet wird. Die Unterarbeitsgruppe muss dazu schauen, bei welchen Themen ein Konsens möglich ist, aber auch, wo eventuell nach einem dritten Weg zwischen den Positionen von Union und SPD gesucht werden sollte. Genug Arbeit ist auf jeden Fall da.
Deshalb denke ich, dass wir in Deutschland nun soweit sind, innerhalb der Bundesregierung die Stelle eines/einer Beauftragten zu schaffen, der/die mit einem geeigneten Mitarbeiter-Stab ausgestattet ist, um alle (!) netzpolitischen Themen zu bearbeiten und jeweils eine Position einzunehmen, die auch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt ist. Das heißt im Idealfall gibt es zu jedem Thema mindestens eine Organisationseinheit, bei größeren Projekten wie der digitalen Wirtschaftspolitik gegebenenfalls sogar mehrere.
Als Vorbild eignet sich hier meines Erachtens die Struktur des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Auch wenn der Stab des/der neuen „Bundesbeauftragten für die digitale Gesellschaft“ (Arbeitstitel) natürlich nicht (sofort) so umfangreich sein muss. Dass einem solchen Beauftragten ein vollwertiger und selbstständiger Bundestagsausschuss gegenüberstehen muss, ist für mich selbstverständlich. Da bin ich mir mit Nico Lumma sogar im Groben einig. Immerhin.
Das Netz will mit uns dorthin, wo Geld zu verdienen ist.
Was ist der innigste Ziel-Wunsch des Netzes? Die Abhängigkeit.
Das machen uns bereits Google, Facebook und alle anderen vor, in dem sie uns möglichst personalisierte Werbung und bald auch solche Nachrichten präsentieren. Das Werkzeug hierfür sind die individuellen Nutzerdaten. Da man glaubt, dass dieses Ziel am ehesten und am wirksamsten mit der Jugend zu erreichen ist, wird alles darauf abgestimmt.
RTL und andere TV-Sender haben damit schon vor vielen Jahren angefangen und das werbewirksame Alter mit bis zu 49 Jahren definiert. So sieht denn auch das Programm der gebührenfreien TV-Kanäle aus. Da Trash bei der „unvorsichtigen“ Jugend am ehesten verfängt, wird sie auch damit am wirksamsten werbetechnisch auf niederstem Niveau verführt. Die mittlere und späte Generation wird zwar immer wieder beschworen, aber für die bleibt nur der Versuch der permanenten „Infantilisierung“ übrig. Von wegen meinungstechnisch „abholen und mitnehmen“. Hat das Netz es erst mal erreicht, dass die Abhängigen glauben, keine ½ Stunde ohne das Netz aushalten zu können und nicht von ihrer engeren Community beachtet zu werden, ist das Ziel erreicht. Dann hat der Infantile auch keine Zeit und Bereitschaft mehr, sich ohne das Netz frei zu bewegen. Er hat dann nur noch eine Freiheit in den vom Netz vorgegebenen Grenzen. Und die sind dann so personalisiert, dass das dann keine Freiheit mehr ist. Nur? Merken wird der Abhängige diese neue „Freiheit in der Unfreiheit“ nicht.
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Eine gute Positionierung! Wichtig finde ich zunächst den Hinweis, das Thema von Bürgerseite konstant anzusprechen und politische Positionen zu überprüfen. Die zahlreichen Wahlen geben uns dazu ja hinreichend Gelegenheit.
Die Breite der mit dem Label „Netzpolitik“ verbundenen Themen zeigt den Querschnittscharakter der Materie und die Verbindung mit ganz vielen Lebensbereichen. Deswegen ist es auch ein Thema für uns alle.