In wenigen Tagen wird unser drittes Kind geboren. Ein Kind, das in eine Familie mit seinen Eltern, großen Geschwistern, Cousins und Cousinen, Omas, Opas, Onkels und Tanten und sogar Uromas geboren wird. Ein Kind, das in eine Welt kommt, von der viele Menschen sagen, dass sie aus den Fugen sei. Eine Welt, die mit der Digitalisierung und der globalen Vernetzung seit Jahren Veränderungsprozessen unterliegt, die unser Leben grundlegend verändern und die sich für viele Menschen wie die permanente Fahrt in einer Waschtrommel anfühlen. Alles ist in Bewegung, laufend wird jeder Lebensbereich durchgespült und nach einem kräftigen Schleudergang geht scheinbar alles von vorn los.
Wie schauen wir auf diese Welt? Wie nehmen wir sie auf? Und wie erklären wir sie unseren Kindern? Denen, die jetzt schon da sind und dem, auf das wir alle seit einigen Monaten mit viel Vorfreude warten?
Wie sollen wir Eltern, die in der Schule das Wissen nur vom Lehrer und aus Büchern bekommen haben und mit unseren Freunden auf dem Spielplatz spielten, unsere Kinder auf das Internet vorbereiten? Wie sollen wir, für die eine (Staats-)Grenze vor der Haustür – ob mit Mauer und Stacheldraht oder „nur“ mit Schlagbaum und Ausweiskontrolle – zum kindlichen Alltag gehörte, unseren Kindern erklären, welchen Wert es hat, eben das nicht mehr erleben zu müssen? Wie sollen wir, die in Strukturen aufwuchsen, die überschaubar und begreifbar schienen, unsere Kinder begleiten, wenn sie – digital und analog – mit einer Grenzenlosigkeit von Eindrücken, Meinungen und Lebensentwürfen konfrontiert werden?
Es gibt so viele Antworten, die lange richtig waren, heute aber nur noch bedingt weiterhelfen. Denn es ist nicht mehr so, dass schlicht die Fülle von angehäuften Informationen den Grad der Bildung oder sogar das individuelle Wissen definiert. Es stimmt nicht mehr, dass soziale Kompetenzen nur und am besten im direkten – analogen – Austausch geschult werden. Und es reicht nicht mehr, Menschen die Freiheit zu geben, damit sie dann selbst erkennen, welchen Wert diese hat und welche Verantwortung sie mit sich bringt.
Es klingt banal und gleichzeitig unglaublich groß: Die alten Überzeugungen, Erfahrungen und Werte reichen nicht mehr. Regelmäßige und breite Information ist kein Garant mehr für Bildung und Wissen, kommunikative Interaktion kein Ausdruck sozialer Kompetenz und Freiheit kein Selbstläufer.
Kurz: Die Aufklärung hat sich überlebt.
Wir müssen heute neue Mechanismen finden, um unsere Kinder auf das vorzubereiten, was sie erwartet. Eine Welt, in der Flüchtlinge nicht mehr aus der territorialen Nachbarschaft kommen, wo man einen Beruf nicht mehr erlernt, um ihn sein Leben lang auszuüben und wo eben nicht – wie schon immer – ausschließlich weiße (alte) Männer sagen, wo es lang geht.
Wir müssen ihnen beibringen, dass nicht alles richtig ist, was irgendwo mal jemand aufgeschrieben hat, dass andere Kinder, die ihnen im Chat begegnen, nicht tatsächlich Kinder sein müssen, nur weil sie über kindliche Interessen schreiben und kindliche Fragen stellen, dass ein Foto nicht nur ihrem Empfinden von richtig und falsch entspricht, auch wenn sie es selbst gemacht haben und sie sich mit ihren Freunden abbilden.
Ja, wir wollen unsere Kinder zu aufgeklärten, verantwortungsbewussten, selbstständigen, offenen und warmherzigen Menschen machen. Doch das sind keine Attribute, die wir ihnen nach Plan antrainieren können. Alles vorleben, darauf hinweisen und zur Nachahmung anregen, hat in der Regel nur eine Reaktion zur Folge: Ungläubiges abwinken. Und trotzdem ist es dieser Instrumentenkasten, der uns als Eltern bleibt, um unsere Kinder zu mündigen und selbstbestimmten Menschen zu machen, damit sie in ihrem Leben klarkommen.
Wir müssen ihnen beibringen kritisch und zugleich offen zu sein. Gegenüber Meinungen, Situationen und ganz besonders anderen Menschen. Im Netz wie auch beim Spielen im Park oder dem Ausflug mit Freunden. Beim Sammeln von Informationen und Weiterverbreiten von Wissen. Beim Ausleben ihrer Emotionen und bei der Entdeckung ihrer eigenen Persönlichkeit.
Damit sie lernen, dass Freiheit ein großartiges Geschenk ist, aber auch Verantwortung bedeutet. Dass das Internet kein Selbstzweck ist, sondern ein Werkzeug mit dem man umgehen können und wollen muss. Und damit sie verstehen, dass offene Grenzen, ein weites, freies und gemeinschaftliches Europa und der friedliche Umgang miteinander, der beste Weg sind, damit alle Menschen ihre Freiheit (er)leben können.
Dieses Gerüst können wir nur alle zusammen unseren Kindern mitgeben. Beim Vorleben und Begleiten. Egal ob Oma, Opa, Onkel oder Tante, Freund oder Freundin und selbstverständlich wir Eltern. Also lasst sie uns gemeinsam zu freien und starken Kinder machen!
Lieber Claus,
ich lese, Du machst Dir so Deine Gedanken … weiter so!
Panta rei und vielen Dank für Euer Kommen, Eure Glückwünsche und Geschenke und Euer baldiges Erscheinen bei uns in Gaaden ! 😉
LG an alle,
Ronald mit Toni und Mädels