Lasst uns nochmal in Ruhe nachdenken. Nachdenken über uns, dieses Internet, unsere Gerätschaften und überhaupt. Lasst uns vielleicht hier und da auch nochmal einen Schritt zurückgehen, um zu erkennen, dass unser gewähltes Tempo für die zur Verfügung stehenden Fähigkeiten vielleicht noch etwas zu hoch ist.
Lasst uns sehen, hören und staunen und uns vielleicht erst einmal über die kleinen Dinge freuen. Dann können wir uns auch wieder überraschen lassen. Auch von Baum-ähnlichen Grün am Stand von Microsoft.
Ich war nun endlich zum ersten Mal bei der CeBIT. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass bei mir allein schon der Name gehörigen Respekt hervorruft. Die CeBIT ist eine Messe von weltweiter Ausstrahlung und Bedeutung aber auch mit einem ordentlichen Pfund Historie im Gepäck.
Also freute ich mich auf viel Technik und Messehallen voller unerwarteter und faszinierender Spielereien, die ich mir im Traum nicht hätte vorstellen können.
Mein erster Eindruck: Weit gefehlt.
Die CeBIT ist viel nüchterner als ich erwartet hatte. Wahrscheinlich bin ich da etwas naiv gewesen. Vor allem weil die Fernsehberichte von neuen und unglaublichen Technologien aus den vergangenen Jahren etwas zu stark überzeichnet waren. Es ist eine Fachmesse der IT-Branche. Punkt aus.
Nüchterne Fachmesse mit Rahmenunterhaltung
Anwendungen für die verschiedensten Unternehmensbereiche reihen sich in den riesigen Messehallen aneinander und jeder Spezialist für was auch immer findet den Stand, der genau das anbietet, was ihn interessiert. Das ist, so glaube ich, auch der große Wert dieses Festivals der DATEV-Berater und Sicherheit-in-allen-digitalen-Lebenslagen Anbieter.
Aber es gibt auch Unterhaltung. Nicht unbedingt die Stände der Hersteller von mobilen oder nicht so mobilen Endgeräten, denn das was man da sehen kann, gibt’s mittlerweile in jedem Saturn oder Mediamarkt zu ertasten. Und dort sogar mit Internetverbindung… Viel unterhaltender ist ein Ausflug in die Spielhölle der „digital Natives“. Halle 23 ist eine andere Welt. Dort finden Meisterschaften statt, die ich mir im Traum nicht hätte vorstellen können. Junge Leute in Festival-Stimmung und Gamer (!!!) mit Star-Status. Dagegen sind mir DATEV und SAP regelrecht vertraut…
Doch nun zurück zu meinem Eingangsstatement.
Es geht voran – nur langsamer
In den Hallen, in denen Anwendungen präsentiert wurden und vor allem bei den Start-Ups ist mir bewusst geworden, wie kreativ und innovationsfreudig wir in Deutschland in großen Teilen sind. Da gibt es Lösungen für ein privates Car-Sharing ebenso wie die von Studenten in der Freizeit entwickelte App, die einfach den Studienalltag erleichtern sollte und nun ein Renner ist.
Wir haben Web-Shows von Leuten, die einfach Bock darauf haben, staatliche Stellen, die Ihre Daten rausgeben oder Apps anbieten, die einen vielleicht simplen aber hochgradig praktischen Nutzen beweisen. Aber es wird auch immer selbstverständlicher, dass Kommunikation von Unternehmen bzw. Institutionen nicht nur aus einem Senden besteht, sondern durch Dialog enorm gewinnen kann.
Immer wieder stieg folgender Gedanke in mir auf: „Da hätte man auch schon früher drauf kommen können.“ Das CeBIT-Blog ist so ein Beispiel. Nach Jahren des Messe-Bloggens für fünf Tage im Jahr kamen die Veranstalter nun endlich auf die Idee, dieses Format rund ums Jahr zu den Themen der CeBIT zu betreiben. Klingt wenig aufregend – ist es auch. Aber solche vermeintliche Selbstverständlichkeiten schwirren noch zu hunderten durch den digitalen Raum des Möglichen.
Unser mentales und kulturelles Problem ist meines Erachtens, dass wir immer mit dem Kopf durch die Wand wollen. An jedem Start-Up schnüffeln wir herum, um herauszufinden, ob es nun – endlich – das deutsche Facebook ist, wenn wir über offene Daten, neue Anwendungen oder technische Lösungen philosophieren, wollen wir viel zu oft den ganz großen Treffer und bei Datenschutz und Sicherheit im allgemeinen muss es schon das All-inclusive-Paket sein.
Doch all das gibt es nicht!
Wir brauchen eine digitale Kultur der kurzen Wege. Eine Kultur, die den Versuch fast genauso schätzt wie den Erfolg, eine Kultur, die eher in kleinen Anwendungen und Lösungen denkt als in großen und abgeschlossenen Systemen. Damit einhergehend fehlt uns immer noch ein zeitgemäßes Bewusstsein für in allen denkbaren Dimensionen „nahes“ Crowd-Funding. Wir investieren unser Erspartes in internationale und völlig undurchsichtige Fonds während in der Nachbarschaft ein pfiffiges Start-Up händeringend nach Unterstützern sucht.
Hier ist noch viel Luft nach oben und selbst wenn die Geschwindigkeit, mit der sich die IT-Branche entwickelt, zur Zeit etwas herunterfährt, können wir mit vielen kleinen Schritten am Ende doch mehr Weg zurücklegen. Wenn ich zum Beispiel auf die hunderten jungen Gamer in Halle 23 schaue, ist mir das was die da machen vielleicht fremd, aber ich sehe da auch viel Kreativität herumsitzen, die vielleicht irgendwann zu Ideen führt, die uns alle überraschen werden.
Umdenken zum neu denken – ReThink
Von den großen Playern würde ich mir hier noch mehr Initiative wünschen. Natürlich fördern Microsoft, SAP und wie sie alle heißen Start-Ups und ihren eigenen Nachwuchs. Aber sie können auch noch mehr Verantwortung übernehmen und sich zum Beispiel mehr in der öffentlichen Bildung und Forschung engagieren.
IBM hat seinen Stand unter den Slogan „ReThink your Business“ gestellt. Das hört sich in meinen Ohren sehr nach re:publica an, stört aber überhaupt nicht. Vielmehr zeigt es, dass Kongresse wie die re:publica nicht nur unser „Klassentreffen“ sondern vielmehr eine Art CeBIT für die digitale Generation sind. Lasst uns umdenken, damit wir endlich neu denken können.
In diesem Sinne: Bis bald im Mai in der Station!