Kategorie-Archiv: Politik

Politik im Netz – Versäumen lernen

Bevor sich gleich wieder jemand aufregt und das böse P-wort ruft, das sich auf „rabiat“ reimt sei hier ganz offen verkündet: Der Titel „Versäumen lernen“ stammt von Sascha Lobo aus seiner SPON-Kolumne vom 26. Januar. Jedenfalls habe ich es von dort.

Wichtiger ist aber die dahinter liegende Aussage und die Verbindung zum Thema „Politik im Netz“ (was ich ab sofort rotzfrech einfach „PiN“ nenne). Natürlich gilt, wie Lobo sinngemäß meint, zuvorderst für den Medienkonsum, dass ein entspannter Umgang mit der permanenten Beschleunigung darin besteht, auch mal etwas auszulassen, nicht zu lesen oder bewusst zu ignorieren. Sich einzugestehen, dass man nicht alles wissen kann, ist streng genommen sogar ziemlich revolutionär. An anderer Stelle hab ich mich dazu mal ausgelassen. Anlass war lustigerweise auch ein Artikel von Saschao Lobo. Einen entspannten Umgang mit dem breiten braucht man auch bei der PiN.

Um sich politisch zu engagieren, sich kontrovers einzubringen, muss man nicht auf jeder thematischen Hochzeit tanzen. Man muss nicht in jedem Bürgerdialog aktiv sein und braucht auch keine Textwüste an Pseudoreputation, um mitdisktieren zu können.

Es gilt viel mehr: Du hast ne Meinung? Her damit! Mitmachen!

Schreibt Blogs, verlinkt euch mit den gegenerischen Thesen, zeigt dem anderen, dass ihr da seid und beglückwünscht euch nicht unter eures Gleichen, dass ihr Recht habt. Denn wir sollten nicht nur übereinander reden, wie die Grafik zeigt, die Mathias Richel zu seinem Aufschlag gereizt hat, sondern es geht darum, miteinander in verbale und inhaltliche Konflikte zu geraten. Wäre doch schade, wenn wir uns immer nur bei FB-Gruppen treffen, die über 100.000 Fans haben und dann wieder im nächsten Bundestagswahlkampf.

Politik im Netz – Ein nächster Schritt

Da wollte Mathias Richel heute die mehr oder minder Konservativen anregen, über Politik im Netz zu diskutieren und umarmt verbal glatt die Falschen. Nämlich den mittlerweile ziemlich versprengten ProGuttenberg-Hühnerhaufen, weil er meint hier konservative Werte und sogar netzpolitisches Potential auszumachen.Vielleicht keine Bewegung zwar aber zumindest ein schöner Hype.

Frei nach der Rechnung: Aktivität + Meinung = Diskussion.

Und das noch bei Facebook. Also haben wir hier doch die online-affine und politisch interessierte Truppe, die das Internet bislang nur als Ersatz zur täglichen Zeitung, Instrument zur Wettervorhersage oder Endlosarchiv für Bilder aus dem Schützenverein missverstand. Oder etwa nicht? Lange genug wurde ja nach diesen Konservativen gesucht.

Leider war das aber ein irgendwie zweifelhafter „gefällt-mir-Mob“, mit dem kaum etwas anzufangen ist und bei dem sich wieder einmal verdeutlichte, dass ein erhobener Daumen und der damit verbundene schnelle Klick noch lange keine Mobilisierung ist. Es reicht scheinbar nicht mal für eine anständige Demo im bürgerbewegten Leipzig. Die Kritik kam auch direkt in den Blog-Kommentaren.

Eigentlich geht es Mathias Richel aber in einem fast schon heroischen Akt der überparteilich ausgestreckten Hand viel mehr um das Thema Netzpolitik. Und irgendwie auch wieder gerade darum nicht. Denn dieser Begriff  „Netzpolitik“ ist irgendwie ziemlich verbrannt, mytisiert und vom Platzhirschen @netzpolitik überfrachtet und in eine Metaebene der Unerreichbarkeit geschossen. Es ist immer wieder erhellend, was netzpolitik.org über sich selbst schreibt.

Deshalb sollten wir eigentlich eher von Online-Politik reden. Und ich denke, das meint Mathias im Grunde auch. Nämlich so: Bringt die Politik ins Netz und streitet online darüber. Denn hier seid ihr frei, dass so zu machen, wie ihr wollt.

Thema? Egal! Her damit und mitgemacht:

  • Ist die Aussetzung der Wehrpflicht in Laufschuhen Fluch oder Segen?
  • Brauchen solche Veränderungen nicht viel mehr Zeit?

Das wäre mal ein schöner thematischer Einstieg. Keine Kampagnen – ja Mathias, Twitter still halten – keine Fanseiten, nur ganz einfach eine (möglichst) sachliche und inhaltliche Diskussion. Weg von der Aufregung, hin zum Thema. Schon mit Enthusiasmus aber gern mit etwas weniger Adrenalin.

Es ist wieder mal Zeit für ein bischen Idealismus. Der nächste Bundestagswahlkampf kommt früh genug.

Der ideale Politiker…

…ist natürlich eine Illusion.

Jeder Politiker ist vor allem eines, ein Mensch. Doch an diese speziellen Menschen werden regelmäßig überdurchschnittliche Maßstäbe angelegt und damit wird der Druck schnell sehr groß. Denn Politiker sollten folgendes mindestens sein:

– ehrlich
– zuverlässich
– stets höflich
– nicht überheblich, arrogant oder zu karrierebewusst

Weiterhin sollte ein Politiker:

– schon mal was anderes gemacht haben (was Ordentliches)
– wissen wovon er spricht (am besten eine Ausbildung ohne politische Verbindung)
– unabhängig sein (am besten von der Politik, aber ganz besonders von den Lobbyisten)
– nicht zu jung sein (Kreißsaal > Hörsaal > Plenarsaal)
– nicht zu alt sein (damit die Zukunft nicht aus dem Blick gerät)

Doch unser politisches System bringt diesen idealen Politiker leider nicht hervor. Der Nachwuchs aller Parteien rekrutiert sich zum Großteil aus jungen Leuten, die zwei hervorstehende Eigenschaften besitzen.

1. Eine unnachvollziehbare Freude daran, sich tagein tagaus im politischen Betrieb zu betätigen. Vorstandsposten mit Aufgabenbereich im Ortsverein und in der Kreispartei. Aktive Mitgliedschaft in einer Vereinigung. Ehrenamtlicher Abgeordneter des kommunalen Parlaments und für den finanziellen Backround meist eine Stelle als (Halbtags-)Mitarbeiter bei einem Vollzeitpolitiker (aus dem Landestag oder Bundestag).

2. Die Zeit und das familiäre (meist überschaubare) Umfeld, diese Pensum zu bewältigen.

Meist studieren die jungen Karrieristen und hängen dann hin und wieder eine Promotion dran. Wenn nun die Karriere zu steil startet, kann es sein, dass die Zeit fürs promovieren oder den noch laufenden Ausbildungsweg kanpp wird. Die Kunst besteht dann darin, die neue Karriere in Angriff zu nehmen, den alten Weg aber trotzdem nicht aus dem Blick zu verlieren. Zur Zeit lässt sich bestaunen, wie das klappen kann oder vielleicht eben nicht.

Eine mögliche Lösung dieses Problems ist ein Überdenken unseres Parteienapparates. Momentan sind zwei Typen Mensch in einer Partei nahezu unmöglich: Quereinsteiger und Querdenker. Beide scheitern bereits daran, dass sie schon im Ortsverein ihrer Partei keine Mehrheit bekommen, auf Kreisebene nur mit sehr viel Glück in eine aussichtsreiche Position gelangen aber spätesten auf Landesebene scheitern.

Und warum? Weil sie sich nicht ihre Sporen verdient haben, nicht samstäglich am Infostand präsent waren und keine „Hausmacht“ besitzen. Und schon war es das mit dem politischen Idealismus, den frischen Ideen und dem neuen Ansatz für eine bessere Politik im Lande.

So siehts leider aus. Mal sehen, wie es weiter geht.

Gebt ihm doch eine Ehrendoktorwürde!

Die mediale Hexenjagd auf den Bundesverteidigungsministers wegen dessen Dissertation ist nur noch grotesk. Trauriger Höhepunkt war bislang der Freitag vergangener Woche und dessen mediales Nachschwingen.

An diesem Tag wurden in Afghanistan durch einen feigen Anschlag drei Bundeswehrsoldaten getötet. Der deutsche Verbraucher musste sich z.B. auf RTL und Co aber anhören, dass der Minister sein kurzes und knappes Statement zur Causa „Doktorarbeit“ am Vormittag nur vor ausgewählten Medienvertretern abgegeben hat. Also leider nicht vor RTL, n-tv, vox und den anderen investigativen Qualitätsmedien dieses Konzerns. Deshalb herrschte hier nun „beleidigte-Leberwurst-Stimmung“

Aber muss mich das aufregen? Nein, es ist mir egal!

Er hat sich erklärt. Streng genommen hätte er nicht mal das machen müssen. Denn ob ein deutscher Minister nun einen Doktor vor seinen Namen schreibt oder nicht, hat keinen Einfluss auf dessen politische Tätigkeit. Und die Diskussion um Karl-Theodor zu Guttenberg und sein Verhältnis zur Wahrheit, die nun losgebrochen ist, scheint eher ein Beleg dafür zu sein, wieviele Akteure mal wieder am beliebtesten deutschen Politiker sägen wollen. Gerade beim SPIEGEL reiht sich die die aktuelle Kampagne passgenau in einen mittlerweile 2 Jahre andauernden Zyklus des Rauf- und Runterschreibens ein.

Viel wichtiger ist aber: Es ist keine mehrtägige Top News, ob es nun Fehler bei der Promotion gegeben hat oder nicht. Darum kümmert sich ein universitärer Ausschuss und dieser wird nach eingehender Prüfung entscheiden, ob der akademische Grad aberkannt wird oder nicht. In der Haut dieser Ausschussmitglieder möchte ich nicht stecken.

Über die am Freitag in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten und den damit einhergehenden Paradigmenwechsel wird in den Leitmedien nur am Rande berichtet. Eigentlich müsste der Aufreger des Tages doch sein, dass es ein regulärer und von Deutschen ausgebildeter afghanischer Soldat war, der seine AK47 auf eine Gruppe Bundeswehrsoldaten richtete, die im Feldlager ihr Gerät instandsetzten. Es war keine unbekannter Terrorist mit Sprengstoffgürtel. Doch nach dieser Info muss man heute – einen Tag danach – auf SPON schon suchen.

Die Soldaten der Bundeswehr sind zu Recht schockiert über diese Medienrealität und sammeln sich mit anderen Sympathisanten zum Beispiel unter dem Titel „Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ auf Facebook. Zur Zeit sind es 46.000 und die Zahl steigt mit jedem Betätigen der F5-Taste.

Mein Vorschlag zur Güte und im Sinne einer Rückkehr zur Berichterstattung für relavante Themen ist deshalb folgendes:

Gebt Karl-Theodor zu Guttenberg eine Ehrendoktorwürde!

Damit könnte sich eine deutsche Universität schlagartig auf 1 bei SPON katapultieren, die Uni in Bayreuth würde aus Dankbarkeit wahrscheinlich sogar die Verleihung bezahlen und unsere Qualitätsmedien könnten sich endlich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren.

Ich möchte wieder Menschen jubeln sehen!

In Kairo treffen sich gerade die Menschen, um für ihre Ansichten zu demonstrien. Wir können das im Fernsehen nur sehen, wenn wir uns bis zur vollen Stunde gedulden. Doch gerade wir Deutschen sollten Freude empfinden, mitfiebern und emotional werden, wenn sich Bürger dieser Erde ihr Recht nehmen. Jenes Recht, dass für uns so selbstverständlich geworden ist.

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An Tagen wie heute schaue ich stolz zurück auf die Taten unserer Eltern vor 20 Jahren. Sie haben die Welt verändert und sich zurecht darüber gefreut. Heute will ich mich mit anderen freuen. Egal ob Moslems, Christen oder Menschen ohne Glauben.

Lasst uns endlich wieder Optimisten sein!

Gorch Fock: Wo ist der Skandal?

Ja wo ist er – der Skandal, wenn Offiziersanwärter auf einem „Schulschiff“ an ihre Grenzen gebracht werden. Wenn ein Kapitän den Dienst unterbricht, um mitten auf dem Ozean Wasserski zu fahren. Und wo ist der Skandal, wenn eine Soldatin aus den Seilen stürzt?

Letzteres ist ein furchtbarer Unfall, den niemand rückgängig machen kann. Eine Tragödie, die für die Angehörigen schwer ist, die aber auch die Kameradinnen und Kameraden mitnimmt. Aber ein Skandal ist es nicht.

Die Wasserskifahrt ermöglicht einen Einblick in das Selbstverständnis einer marinen Führungskraft, doch das schockt auch nur Menschen, die sonst mit geschlossenen Augen durch den Alltag marschieren. Und all die anderen Rituale auf See kann man geschmacklos und daneben finden. Es wird sie aber weiterhin geben, weil sie zum einen die Gemeinschaft stärken und zum anderen im späteren Rückblick der Stoff für Erzählungen aus der wilden Jugend sind.

Was sollen alte Seebären ihren Enkelkindern denn sonst vorm Schlafen erzählen?

Bei SPIEGELonline stellte Jan Fleischhauer gestern genau die richtige Frage: Wo ist der Skandal? Ich finde ihn auch heute noch nicht. Hoffentlich bringt der Wehrbeauftrage Licht ins Dunkel. Zeit wirds.

Medienversagen in der Zeitenwende

Dieser Tage gibt es ein Onlinemedium, dass sich vor Zulauf gar nicht retten kann. Die englische Version von AL JAZEERA. Den arabischen Sender kennt der durchschnittliche Mitteleuropäer bisher nur als Transmissionsstelle für Bekennervideos aus allerlei vorderasiatischen Konflikten.

Heute ist der Sender aber unser Auge in die arabische Welt, während sich unsere Medien zurück halten. Wir blicken in eine Welt, die sich offensichtlich im Umbruch befindet. Tunesien strampelt sich von einer Diktatur frei, Ägypten erlebt die Vorboten großer Veränderungen und der gesamte arabische Raum stellt sich gerade die Frage, wohin der zukünftige Weg geht.

Und was sieht die deutsche Fernsehnation?

Das Dschungelcamp (Spiegel-TV) und die Diskussion um den Einfluss der BILD auf den Verteidigungsminister (Anne Will). Lustigerweise sitzt bei Frau Will nicht mal der Mann, um den es geht. Es sitzen Informationskonsumenten herum und destillieren vermeintliche Neuigkeiten. Da hat sich RTL wenigsten direkt mit Rainer Langhans beschäftigt…

Und was bleibt?

In der arabischen Welt wird gerade Geschichte gemacht. Das Tempo der Entwicklung ist beeindruckend aber auch verstörend. Wir Deutschen sollten genau für so etwas sensibel sein und mit einem Seitenblick auf unsere Geschichte sehr genau beobachten, was in unseren Urlaubsländern geschieht. Denn eines Tages könnten wir vor der Notwendigkeit einer Bewertung stehen, mit der dann unsere Position zur veränderten arabischen Welt definiert wird.

Und dann sollte niemand die Chance zu der Aussage bekommen: Davon habe ich noch nie gehört und ich verstehe nicht, was da los ist.

Denn dann könnten wir nicht nur einen weiteren Meilenstein der Geschichte verpassen, sondern von dessen Auswirkungen eines Tages überholt werden. Was wird es schließlich bedeuten, wenn Millionen Muslime zu mündigen Demokraten werden, die ihre Bürgerrechte definieren und einfordern? Ich weiß es nicht.

Immerhin ist SPON mittlerweile in der Jetzt-Zeit angekommen. Mal sehen, wann es in der ARD eine Dauerberichterstattung aus dem Land der Pharaonen gibt.

Was ist Netzpolitik?

Es ist ein spannendes Thema aber auch vermintes Gebiet. Denn die Frage: „Was ist Netzpolitik?“ hat das Potential, mit genervtem Kopfschütteln quittiert zu werden oder aber ein Feuerwerk an Antworten abzubekommen. Googelt man die Frage, gibt es erstaunlich wenige Suchergebnisse. Und egal wie man „Netzpolitik“ definiert, Einigkeit wird vermutlich darüber herrschen, dass sich diese genau wir ihr Medium ständig verändert.

Wo sind wir also heute? Ist Netzpolitik das, was Markus Beckedahl und seine Mitstreiter bei netzpolitik.org betreiben? Oder ist es vielmehr das, was ein gutes Dutzend Netzaktivisten zurzeit sehr perfektionieren? Das Parforceritt von einer Dialog-Veranstaltung zur nächsten, die Teilnahme an Konsultationen, Kommissionen und Foren. Einige wissen wahrscheinlich gar nicht mehr, ob sie heute oder morgen ins BMI müssen, zum BMFSFJ eingeladen sind oder im BMELV über Schreibwaren diskutieren können. Es ist wahrscheinlich gerade sogar ziemlich anstrengend, Netzbürger zu sein. Lobbyist der Comunity, Fürsprecher der digitalen Freiheit oder sogar Vorsitzender des Verbandes der Computerspieler.

Ich denke, für den Begriff „Netzpolitik“ gibt es gerade zwei Bedeutungsströmungen. Die erste ist dem klassischen Lobbyismus wahrscheinlich näher als es ihren Vertretern lieb ist. Es geht um die Philosophie des Netzes. Netzneutralität, Open Data, Open Source, Open Gov und andere idealtypische Umgangsweisen mit Informationen, Daten und Verbindungen. Es geht in einer gewissen Art um eine reine Lehre. Nämlich die, dass die Grundidee des Internets sehr freiheitlich ist. Wenige Regeln, viel Eigenverantwortung und ein kulturelles Element.

Die zweite Bedeutung von „Netzpolitik“ geht meines Erachtens davon aus, dass sich die Politik im Netz eine neue kommunikative Grundlage gibt. Alle Themen und Bereiche können netzpolitisch diskutiert werden. Partizipation ist das Zauberwort. Parteien gibt es hier nicht. Nur Themen, Meinungen, Meinungsbildung und digitale Mehrheiten. Beispiele dafür sind die Kampagne für Joachim Gauck, in der aus den Schnellschüssen einiger engagierter Politinteressierter eine Bewegung im Netz wurde, und die mittlerweile so genannten Twitter-Revolutionen in manchen autoritären Staaten.

Mit einer Flasche Rotwein und einigen Netzaktivisten am Tisch oder auf der Timeline würde man wahrscheinlich noch viele andere Bedeutungen ausfindig machen, doch hier soll ja nichts vollständig sein. Vielleicht entspinnt sich in nicht allzu ferner Zukunft eine Diskussion zu diesem Thema. Ein Ergebnis könnte dann sein, dass der Begriff „Netzpolitik“ zumindest etwas bewusster genutzt würde.

Vielleicht ist aber auch das netz politik bier berlin heute schon zu neuen Erkenntnissen gelangt. Das erfährt man am schnellsten mit dem Hashtag #npbb

Ein Ritt auf der Nachrichtenwelle

Im aktuellen SPIEGEL gibt es doch noch einen richtig guten Artikel. Unter dem Titel „Die zerhackte Zeit“ wird (ab Seite 42) der Nachrichtenwahnsinn des täglichen Politikbetriebes sehr anschaulich beschrieben. Always on ist da fast lächerlich. Alway live trifft den Zustand der politisch Aktiven viel besser.

Sehr plastisch beschreiben Markus Feldenkirchen und Dirk Kurbjuweit, wie am laufenden Band Nachrichten produziert, verbreitet, rezipiert und weiter verwurstet werden. Schlimm sind dabei nicht mehr schlechte Nachrichten sondern der Moment, vor dem jeder Beteiligte mehr oder minder offen Angst hat:

Keine Nachrichten.

Am plastischsten visualisiert in der Szene, als das Handy der Kanzlerin in Korea eine Stunde braucht, um ein Mobilfunknetz zu finden. Plötzlich sitzt sie mit ihrem Sprecher „schweigend im Wagen“.

Ein toller Artikel über den Dauerstress, den die mediale Realität entwickelt. Bleibt nur noch die berechtigte Frage, wann man diesen Artikel denn endlich kostenlos online lesen kann…

Der SPIEGEL und die mediale Arschbombe

DER SPIEGEL 2/2011 und eine KerzeHauptsache die Welle hat eine ordentliche Höhe, muss man sich im Hochhaus an der Brandstwiete gedacht haben. Also setzt der SPIEGEL in der zweiten Woche des jungen Jahres 2011 auf das ungelenke Mittel der medialen Arschbombe.

Weder etwas Neues noch irgendeine Form von Eleganz zeichen diese brachiale Aktion aus. Eine mediale Aktion, die sich ganz bewusst an einem jugendlichen Turmsprung orientiert, mit dem jeder Ausflug ins sommerliche Freibad seinem Tiefpunkt zugeführt wird. Jeder weiß, was kommt. Eine große Welle, die sich genauso schnell verflüchtigt, wie sie entstanden ist.

Die eindruckvollste Arschbombe braucht aber zwei Partner, mit denen sich so richtig Druck aufbauen lässt. Nämlich die Beine des Hoppsenden, bei denen ganz simpel gilt: Je mächtiger diese gebaut sind desto größer ist die Welle.

Das erste Bein der hier in Rede stehenden Arschbombe ist die aktuelle Titelgeschichte des SPIEGEL 02/2011. Unter dem Titel „Die Unersättlichen“ wird bedeutungsschwer die Datenkrake „Internet“ in ihrer ekelhaftesten Form auf das Titelblatt gebracht.

Dieses zahnspangentragende Monster (ja, die Vernunft der Krake orientiert sich an der eines frühreifen Teenagers) besteht laut SPIEGEL im Wesentlichen aus ganz vielen bösen, weltumspannenden und privatlebenmordenden Unternehmen, die uns nicht nur zum gläsernen Menschen machen wollen. Nein, sie machen uns zum dem, was wir scheinbar so gern sind: zum Opfer. Wenn man bei der Lektüre dieses Artikels „Sacrifice“ von Lisa Gerrard und Peter Bourke auflegt, wähnt man sich direkt in einem Thriller-Update von The Social Network.

Bildlich gesprochen zieht uns die Datenkrake aus der Sicherheit unserer heimischen 4 Wände und reißt uns mit ihren 360-Grad-Kameras ins datenschutzrechtliche Verderben. Das hat es früher nicht gegeben!

Mittlerweile geht es aber nicht nur um die böse Werbeindustrie sondern auch um die (Achtung! Böser Bube!) Regierungen. Daniel Fiene hat sehr schön aufgedröselt, was daran absurd ist und was sogar bisweilen die Kategorie des Absurden sprengt.

Das zweite Bein der Arschbombe ist die neue Reihe S.P.O.N. – Die Kolumnisten, die uns ab sofort täglich (Wahnsinn!!!) ein Stück „Denkfutter“ übermitteln wird. Ich persönlich bin jetzt sehr froh, dass ich – von nun an – bei SPON wöchentlich Kolumnen von Jan Fleischhauer und Georg Diez lesen kann, die sich (endlich) mit „ihrer ganz persönlichen Sicht“ an mich wenden.

Wie konnte ich nur jemals ohne? Und warum macht The European darüber so komische Andeutungen? Hmm…

Ergebnis der MULTIMEDIALEN Arschbombe aus dem Hause SPIEGEL ist also, was im Prinzip zu erwarten war:

Nichts.

Interessant ist nur, dass dieses Nichts mehr als sonst von unverständlichem und berechtigtem Kopfschütteln begleitet wird. Denn das Feindbild Internet ist genauso daneben wie der Neuigkeitswert einer täglichen Kolumne.

Wer es sich traut, kann dem SPIEGEL ja mal sagen, dass es im Rundfunk (auch so ein neues und bestimmt gefährliches Medium) schon viele Beispiele für gute Kolumnen gibt. Zum Beispiel jeden Freitag mit Henryk M. Broder bei radioeins.